Neues Studienkolleg: Mehr internationale Nachwuchskräfte für Baden-Württemberg

Fachkräftemangel: ein Problem, das sich zunehmend verschärft. Nachwuchs bleibt aus, weil deutsche Schulabgängerinnen und -abgänger gerade an technischen Studiengängen kein großes Interesse zeigen. Junge Menschen aus anderen Ländern hingegen haben Lust in Deutschland ein duales Studium aufzunehmen – allein es fehlen die Voraussetzungen. Genau darauf werden sie jetzt im neuen Studienkolleg am Campus Bad Mergentheim der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) vorbereitet.

Ägypten, Bolivien, Indien, Indonesien, Iran, Jemen, Kap Verde, Marokko, Nepal, Peru, Sudan, Südkorea, Tadschikistan, Ukraine, Uruguay, Vietnam: Aus der ganzen Welt kommen die 20 Studierenden, die soeben am neuen Studienkolleg in eine zweisemestrige Vorbereitung gestartet sind. Ihr Ziel: Fit werden für ein nachfolgendes duales Studium an der DHBW, insbesondere in den technischen Studiengängen.

„Besonders im technischen Bereich brennt es unseren Dualen Partnern unter den Nägeln“, sagt DHBW-Präsidentin Martina Klärle. „Die Stärkung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit Baden-Württembergs ist unser oberstes Ziel. Deshalb arbeiten wir jetzt mit dem Studienkolleg gezielt darauf hin, mittelfristig geeignete internationale Nachwuchskräfte für den hiesigen Arbeitsmarkt – genauer: für unsere Partnerunternehmen – zu qualifizieren.“

Das Interesse von Menschen aus fernen Ländern ist da, in Deutschland zu studieren und hier später auch zu arbeiten. „Dass in der Zuwanderung und Ausbildung von Fachkräften die Zukunft unserer Wirtschaft und Industrie liegt, ist schon lange Fakt. Aber wir haben hier auch hohe Anforderungen und Standards, die nicht jeder mitbringt“, sagt Professor Axel Gerloff. Er hat sich als Projektleiter des neuen Studienkollegs viele Gedanken um Struktur und Inhalte des Angebotes gemacht. „Wir können bei internationalen Studieninteressierten nicht von ‚unserem‘ Bildungsstand ausgehen. Von daher ist die einjährige Studienvorbereitung eine ausgezeichnete Möglichkeit, die Interessierten mit verschiedenen Kursen gezielt fachlich, sprachlich und kulturell für ein duales Studium an unserer Hochschule fit zu machen.“

Das Studienkolleg bietet zunächst Technik-Kurse an, damit die Teilnehmenden nach den zwei Semestern zur Aufnahme eines regulären Studiums an der DHBW befähigt sind. „Wir haben in unserem dualen Studienmodell eine besondere Lehr- und Lernkultur, die unsere Gäste nun kennenlernen“, sagt Axel Gerloff. „Dazu gehören auch Dinge wie Bewerbungstrainings, Unternehmensbesuche oder Matching-Veranstaltungen mit interessierten Partnerunternehmen aus ganz Baden-Württemberg.“ Auch Informationen über das Wirtschaftsleben und die Kultur haben ihren Platz: Wie tickt das Ländle?

Mehr als die Hälfte der jungen Menschen, die zuvor ein zweistufiges Auswahlverfahren durchlaufen mussten, haben Interesse an einem Informatikstudium. Auch die Studiengänge Maschinenbau, Elektrotechnik und Mechatronik sind gefragt. „Die internationalen Bewerberinnen und Bewerber interessieren sich also genau für das Angebot, in dem die Nachfrage nach Nachwuchskräften am höchsten ist und bisher Studienplätze unbesetzt bleiben“, sagt Präsidentin Martina Klärle. „Das ist eine ausgesprochene Win-Win-Situation sowohl für die DHBW als auch für die heimische Wirtschaft. Darüber hinaus ist dieses Studienkolleg ein wunderbares Beispiel für die laufende Internationalisierungsstrategie unserer Hochschule, mit der wir unser ‚internationales Profil‘ in der deutschen Hochschullandschaft stärken wollen.“

Naturgemäß finden das neue Kolleg und die damit verbundene Zielrichtung auch in der Wirtschaft selbst großen Anklang. Das Unternehmen Porsche fördert das Projekt mit einer großzügigen Spende. Auch die Unternehmen der Region engagieren sich finanziell über die Stiftung Pro DHBW Mosbach. Ralf Sturm, Group Director Human Resources bei ebm-papst und Aufsichtsratsmitglied der DHBW, und DHBW-Ehrensenator Manfred Wittenstein sind sich einig, dass kleine und mittelständische Unternehmen in ländlichen Regionen zunehmend Schwierigkeiten haben, angebotene Studienplätze mit deutschen Abiturientinnen und Abiturienten zu besetzen. Sie begrüßen deshalb die Einrichtung des Studienkollegs in Bad Mergentheim.

In den ländlich geprägten Landkreisen Baden-Württembergs gibt es viele hochspezialisierte, technisch ausgerichtete Unternehmen, sogenannte Hidden Champions. Diese werden nun bald Besuch von jungen Menschen aus den eingangs aufgeführten Ländern bekommen – denn die Kontaktvermittlung, Exkursionen in die Firmen und Praktika vor Ort sind elementare Bestandteile der beiden Kollegsemester. „Man lernt sich und die Inhalte kennen“, sagt Studienkollegs-Leiter Professor Gerloff. „Ich bin sicher, dass die potenziellen Studierenden und die infrage kommenden Unternehmen schnell zueinander finden.“

Dass der Campus Bad Mergentheim der DHBW Mosbach das neue Studienkolleg beherbergt, freut auch Oberbürgermeister Udo Glatthaar. Für ihn bietet vor allem das historische Ambiente des Schlosscampus eine besondere Lehr- und Lernatmosphäre. Aber auch die vielen Erfahrungen mit internationalen Programmen zur Gewinnung von Studierenden sprechen für Bad Mergentheim. Bereits seit 2014 brachte das vom DAAD geförderte Programm ‚Sommer im Schloss‘ über 150 junge Menschen aus verschiedenen europäischen Ländern mit dem dualen Studium in Kontakt. „Der Campus Bad Mergentheim lebt Internationalität seit über 20 Jahren. Ich bin mir sicher, dass sich die Studierenden des Kollegs schnell am Campus einleben, die Gastfreundschaft der Menschen in unserer Region bald kennenlernen und wir viele von ihnen als Erstsemesterstudierende im folgenden Jahr bei uns begrüßen dürfen“, ist Rektorin Gabi Jeck-Schlottmann überzeugt.