Bei der DHBW baut man weiter auf Holz

Verantwortliche der Virtual Wood University trafen sich in Mosbach

Das Interview führte Heiko Schattauer, Rhein-Neckar-Zeitung

Im Frühjahr 2021 gründete die DHBW Mosbach gemeinsam mit drei weiteren Hochschulen aus Europa die „Virtual Wood University“. Dieser Tage kamen die Verantwortlichen des von der Europäischen Union geförderten Projekts real in Mosbach zum konstruktiven Austausch zusammen. Im Nachgang hat die RNZ das Gespräch mit Prof. Dr. Hubert Speth, Studiengangsleiter für BWL-Handel mit dem Schwerpunkt Holzwirtschaft, gesucht – und gefunden.

Herr Speth, in drei Sätzen und ganz einfach für den Laien erklärt: Was ist die Virtual Wood University?

Die VWU ist ein gemeinsames virtuelles Vorlesungsangebot in englischer Sprache von vier europäischen Hochschulen im Holzwirtschaftsbereich, dessen Module die Studierenden aus den beteiligten Ländern Finnland, Estland, Österreich und Deutschland online studieren und an ihren Heimathochschulen anrechnen lassen können.

Wer hatte die Idee für diese virtuelle Universität? Und wie viele Bretter – um im Holzbild zu bleiben – musste man bohren, um sie an den Start zu bringen?

Unser finnischer Kollege Ilkka Tarvainnen von der Lab University in Lahti war der Initiator, der vor einigen Jahren viele Hochschulen in ganz Europa besuchte, gemeinsame Hochschulwochen in Finnland organisierte und so den Prozess der Entstehung ermöglichte. Die Findung der aktuellen Gruppe war der erste Schritt, die gemeinsame Idee zu einem Antrag und dessen Einreichung zu bringen, war das zweite Brett. Mit dem Zuschlag für das mit 217 000 Euro dotierte Erasmus+-Projekt war man durch den ersten Pfosten, die Entwicklung der einzelnen Kurse und die termingerechte Veröffentlichung aller Kurse sind die laufenden Bretter – und die sind teilweise aus sehr hartem Holz.

Wie sieht die Lehre denn in diesem Fall denn konkret aus? Wie viele Kurse und Studierende gibt es? Und läuft dann tatsächlich alles virtuell, also über Online-Unterricht? Oder ist das eine falsche Vorstellung?

Alles läuft über eine gemeinsame Datenbank-Plattform in Finnland, auf der für unsere Studierenden derzeit acht Module zu wählen sind und im Endausbau ab Herbst 2022 dann zwölf Module aus verschiedenen Bereichen verfügbar sein werden. Alle Module sind virtuell verfügbar. Wir veranstalten aber immer wieder gemeinsame Onlineworkshops mit den Studierenden, um persönlich auf deren Fragen, Probleme, Gedanken etc. eingehen zu können.

Kann man bei einem so greifbaren Thema wie Holz denn virtuell wirklich alles adäquat vermitteln?

Sehr gute Frage! Wir versuchen, durch Methodenvielfalt das Optimum aus der digitalen Lehre zu generieren, bei allen Grenzen, die es dabei natürlich auch gibt. Allerdings muss man verstehen, dass das Studienangebot der VWU lediglich einen Teil des gesamten Curriculums der Studierenden abdeckt. Selbstverständlich haben die Studis an ihren Heimathochschulen weiterhin Veranstaltungen, Vorlesungen, Laborübungen usw.

Die Nachfrage ist offenbar groß. Hatten Sie damit gleich zum Auftakt gerechnet? Wie viele Studierende der DHBW Mosbach sind unter den Virtual-Wood-Pionieren?

Von der Resonanz waren wir total überrascht: Anstelle geschätzter 20 bis 30 Studierenden hatten wir im 1. Semester 230 Studierende, und im aktuellen Semester haben sich derzeit rund 180 Studis neu eingeschrieben. Die Zahlen ändern sich laufend, weil in den nordischen Partnerländern ein Hop-On-Hop-Off-Verfahren möglich ist. Bei uns in Deutschland hingegen ist wie immer alles etwas komplizierter. Während die Kolleg(inn)en in Österreich und Finnland ihren Studierenden eine relativ große Freiheit gewähren, Studieninhalte auch außerhalb der eigenen Hochschule auswählen zu können, können wir aktuell lediglich den Studierenden, die im 4. Semester ins Ausland gehen, Module der VWU anrechnen. Allerdings habe ich die University in diesem Jahr für alle meine Holzstudierende geöffnet; sie bekommen dann zwar keine ECTS-Punkte angerechnet, aber ich stelle ihnen zumindest eine Art Zertifikat für die Teilnahme aus.

Was macht die Virtual-Wood-University denn zu der einzigartigen Einrichtung, als die sie gilt?

Es gibt mittlerweile bereits unterschiedliche Projektansätze, auch an anderen Hochschulen. Wir gingen vor zwei Jahren ziemlich blauäugig mit einem kleinen, aber zunehmend wachsenden Angebot an das Thema heran. Andere bedeutsame europäische Hochschulrichtungen versuchten hingegen, fertige Großstrukturen anzubieten, sind jedoch im Gegensatz zu uns bis dato noch nicht online. Somit sind wir einzigartig, weil wir schon seit zwei Semestern verfügbar sind – und das bei unseren sehr limitierten Ressourcen. Besonders ist auch die Zusammensetzung der Projektpartner, weil wir mit zwei nordischen und zwei deutschsprachigen Ländern repräsentative Großnationen der Holzindustrie mit einerseits gleichartigen, aber teilweise auch gänzlich verschiedenen Produkten, Märkten, Strategien vereinen. Das macht die Zusammenarbeit für uns und die Angebote für die Studierenden extrem spannend.

Die EU fördert Ihre Einrichtung nun zunächst für drei Jahre. Ziel ist aber sicher eine Verstetigung des Angebots, oder?

Es war von Anfang an das Ziel, eine nachhaltige, größere virtuelle Holzhochschule für Gesamteuropa zu entwickeln. Wir sind bereits jetzt im intensiven Austausch mit Kollegen aus den Niederlanden, Schottland, der Slowakei oder Ungarn, die sich gerne an einem Folgeprojekt beteiligen möchten. Wir lernen operativ und auch organisatorisch sehr viel durch das Projekt, und es zeigt uns derzeit auch die Problembereiche einer größeren Struktur auf, die dann gelöst werden müssen, wenn wir dauerhaft stabil und erfolgreich sein wollen.

Ein so moderner, internationaler und nachhaltig geprägter Ansatz des Studierens passt ja eigentlich ganz hervorragend zum großen Vorhaben Baukompetenzzentrum in Mosbach. Kann die Virtual-Wood-University hier ein weiteres starkes Argument liefern?

Ich finde, mit dieser Frage haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Ein derartiges Leuchtturmprojekt wie unsere Virtual Wood University passt nicht nur inhaltlich hervorragend zum geplanten Baukompetenzzentrum, sondern entwickelt auch eine Strahlkraft weit über die Region hinaus. Die DHBW Mosbach hat in der Holzbranche schon einen hervorragenden Namen; mittlerweile kennt man uns bereits schon in halb Europa.

Nun haben sich die Verantwortlichen des Projekts dieser Tage ja auch ganz real in Mosbach ausgetauscht. Mit welchen Erkenntnissen?

Einerseits wurden die inhaltlichen Schwerpunkte für die Module im kommenden Studienjahr festgelegt. Die neuen Module haben z. B. spannende Namen wie „From Europe into the World“, „Wood in buildings“, „Using all your senses“ oder „Times they are a changing“. Darüber hinaus wurden bereits jene Themenfelder diskutiert, bei denen wir Lösungsansätze für ein geplantes Folgeprojekt benötigen.

Ihr Spezialgebiet ist der Holzhandel. Der ist ja aktuell von ganz besonderen Rahmenbedingungen geprägt. Auch wenn es kaum möglich ist, probieren wir (besser: Sie) es wieder in drei Sätzen: Wie geht’s weiter mit dem Holz? Welche Entwicklungen sehen Sie, welche Schlüsse ziehen Sie?

Sie haben recht, darüber könnte ich gerade ein ganzes Buch schreiben. Ich war letzte Woche in Köln auf dem Branchentag Holz, der Branchenmesse des Holzhandels. Man spürte dort, dass die Begeisterung der vergangenen Monate fast schon einer gewissen Ernüchterung gewichen ist. Die Holzlager der Unternehmen sind mit hochpreisigem Material überfüllt, und die Käufer reagieren gerade sehr abwartend, weil sie auf sinkende Preise spekulieren. Wie weit sie fallen, werden wir spätestens im Frühjahr feststellen, wenn die Baukonjunktur wieder Fahrt aufnimmt. Das zweite große Diskussionsthema, das Thema Klimaschutz und Holz als CO2-Speicher in Gebäude, möchte ich an dieser Stelle erst gar nicht anschneiden, das würde Ihre Zeitungsausgabe sprengen.

 

Kontakt

Prof. Dr. Hubert Speth
  • Studiengangsleitung BWL - Handel

Lohrtalweg 10
74821 Mosbach

Telefon
06261 939-276
Fax
06261 939-414
E-Mail
hubert.speth@mosbach.dhbw.de
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