Absolvent Adrian Fleck: Der Projekt-Torpedo

Maschinenbau-Absolvent Adrian Fleck leitete während seines Studiums den Bau einer Tunnelbohrmaschine für einen Wettbewerb von Elon Musk. Mit seinen 22 Jahren kann er schon auf unzählige Entwicklungen und eine Begegnung mit Angela Merkel zurückblicken. Was ihn antreibt, wie er lernt und was er nach dem Studium als erstes plant, erzählte er im Interview. 

Während er einen Algorithmus zum Lösen von Roboterpfaden programmiert, ruft er den Kollegen kurz zu, wie ein Element für die Tunnelbohrmaschine zu sägen sei. Während er telefoniert, prüft er Kabel von frisch gelieferten Elektrobauteilen. Adrian Fleck, 22 Jahre alt, macht immer zwei Sachen gleichzeitig. In seinem letzten Studienjahr leitete der Student der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Mosbach ein elfköpfiges Team junger Männer, die sich viel vorgenommen hatten: Sie bauten eine neuartige Tunnelbohrmaschine für die kalifornische Firma „The Boring Company“. Ins Leben gerufen hatte die Firma der Tausendsassa und Multi-Gründer Elon Musk. In einem Wettbewerb mit zahlreichen anderen Entwickler-Teams hatten es die elf Maschinebau-, Informatik- und Elektrotechnikstudenten aus Mosbach, Friedrichshafen und Darmstadt ins Finale geschafft. Sie traten gegen elf weitere Teams aus der ganzen Welt an und wollten zeigen, dass ihr Bohrer der beste, schnellste und genaueste ist. Letztlich durften sie ihren Tunnelbohrer in der kalifornischen Wüste theoretisch vorführen, bekamen aber keine Starterlaubnis.  Fleck sagt: „Ich finde, unsere Maschine hat das robusteste Konzept von allen. Der Austausch mit all den Technikern dort war toll.“

Bevor es so weit war, musste der Dirt-Torpedo – so der Name des Tunnelbohrers – noch fertig gebaut werden. Das passierte in der riesigen Werkshalle von Flecks Arbeitgeber FFT, einem Produktionstechnikhersteller in Fulda, seinem Heimatort. Die Studenten konnten sich dort ihr eigenes Tüftelreich schaffen, durch Plastikplanen abgetrennt vom Rest: Komplizierte Metallkonstruktionen lehnten an leergetrunkenen Cola- und Mate-Kästen; Tische mit Bierbänken davor. Darauf Laptops, Grillsauce, Tassen, Bildschirme, halbausgepackte Kisten, technische Gerätschaften und eine braune Banane. Zum Mittagessen Döner-Pizza.

Adrian Fleck fühlt sich wohl in diesem geschäftigen Refugium. Er liebt es, wenn eine Aufgabe die nächste jagt. Schon als Kind suchte Fleck Projekte - und dann immer gleich das nächste: Er baute Dinge mit Fischer-Technik und Lego-Technik, Raketen mit Schwarzpulver aus Silvesterböllern, ein eigenes Baumhaus und den passenden Aufzug gleich dazu. Er programmierte Cheat-Codes für seine Lieblingscomputerspiele und in den Camping-Urlaub nahm er Millimeterpapier mit, um stundenlang Schaltkreise zu skizzieren, die er dann zu Hause testete. Neben dem studienbegleitenden Dirt-Torpedo-Projekt hat Fleck den Segelflugschein gemacht und eine neue Windentrommel für Segelflugzeuge konstruiert und gebaut. „Ich halte Ruhe nicht aus. Ich will denken und machen.“

Ohren und Gedächtnis
Adrian Fleck kann kaum lesen. Er hat Legasthenie – eine ausgeprägte Lese- Rechtschreibschwäche – und er geht damit offen um. Wo andere zu Büchern greifen, um neues Wissen zu erwerben oder schnell mal etwas nachzuschlagen, ist Fleck fast ganz auf Beobachtung, Ohren und Gedächtnis angewiesen. „Nur mit höchster Konzentration schaffe ich es, eine Viertelstunde etwas zu lesen. Aber ich bin sehr langsam und danach todmüde.“ Fleck baut sich also seine Wege ums Lesen: Er lernt eher durch Ausprobieren und Überlegen, hört Hörbücher oder bittet um Hilfe: Seine Verlobte las ihm zum Beispiel die Prüfungsfragen für den Segelflugschein während einer Autofahrt vor und Fleck merkte sich alles. Sein Handicap hat ihn bisher jedenfalls nicht aufgehalten, nur manchmal ist Fleck frustriert. „Wenn ich eine halbe Stunde brauche, um eine halbwegs verständliche, kurze Mail zu verfassen, dann schränkt mich das in meiner Zeit ein.“ Programmieren hingegen geht, wenn auch langsam. „Aber schauen Sie ja nicht in meinen Code – den Buchstabensalat versteht niemand“, lacht Fleck. 

Probleme als Liebhaberei
Fleck lässt sich gerade auf der Bierbank nieder als sein Handy klingelt. Ein Bekannter kommt mit digitalen Datenpunkten nicht weiter. Schnell hat Fleck den Kern des Problems erkannt und entwirft eine strategische Anpassung des Algorithmus. Nach vier Minuten ist das Telefonat zu Ende. „Ich habe ein Gefühl für Probleme. Ich will zwar nicht alles selbst bis in Einzelne ausarbeiten, kann aber schnell mit Lösungsansätzen kommen.“ Es kommt oft vor, dass Freunde und Bekannte bei Fleck durchrufen, wenn sie mal nicht weiterkommen. Was aus seiner Algorithmus-Idee was geworden ist, will Fleck später natürlich nachfragen.

Als Fleck 17 Jahre alt ist, nimmt er teil am Bundeswettbewerb „Jugend forscht“ - mit seiner jüngeren Schwester Anna. Sie hatte die Idee, Gelenk- und Knochenschutze aus einer speziellen Flüssigkeit herzustellen, zum Beispiel für Geländeradfahrer. Die Protektoren sind weich und behindern nicht, werden aber bei schnellen Bewegungen wie etwa Stürzen blitzschnell hart. Anna bittet ihren Bruder um Unterstützung. Der ist natürlich begeistert und baut gleich die Maschine, die die Protektoren herstellt. Idee und Umsetzung kommen gut an. Die beiden gewinnen den Wettbewerb und obendrein den Preis der Bundeskanzlerin für die originellste Idee. Sie Fleck-Geschwister treffen Angela Merkel persönlich zu einem viertelstündigen Gespräch. „Sie hat kluge Fragen gestellt, nicht so das Standard-Repertoire.“ Später rufen Merkel und die Flecks noch Raumfahrer Alexander Gerst in der Internationalen Raumstation ISS an. Adrian Fleck fragt ihn, wie er damit zurechtkomme, dass er dort oben so viele Projekte gleichzeitig am Laufen hat.

Bis Dreißig mit dem Wichtigsten durch
Fleck ist verlobt – ungewöhnlich für einen 22-Jährigen heutzutage. „Ich weiß, es klingt in diesem Zusammenhang blöd, aber es mir immer wichtig, vorwärtszukommen.“ Aus den USA zurückgekehrt, steht nun die Hochzeitsplanung an. Dann wollen sie ein Haus bauen. Neue Projekte. „Ich mache Tempo. Mit 30 will ich das Wichtigste erreicht haben, auch beruflich. Denn bis dahin planen wir Kinder und für die will ich mir viel Zeit nehmen. Ich werde sie mit Lego-Technik überhäufen“, sagt Fleck und lächelt. Auch seine eigene Liebe dazu ist noch heiß. „Ich baue bis heute gern. Meine Verlobte hat mich so kennengelernt. Als wir am Anfang viel telefonierten, hörte sie immer die Lego-Kiste rascheln.“ Fleck hatte sich während der Unterhaltung die passenden Teile für sein nächstes Bau-Projekt rausgefischt. Immer zwei Sachen gleichzeitig.