„Wirtschaftsingenieurwesen ist das Verstehen von zwei Welten“

Neuer Wirtschaftsingenieur-Professor im Porträt

 

Sven Seidenstricker ist seit 2017 Professor für Wirtschaftsingenieurwesen am DHBW-Campus Bad Mergentheim. Für seine Berufung an die Hochschule bringt er drei Dinge mit: Begeisterung für Forschung, Engagement als Wissensvermittler und ein Verständnis für Unternehmen.

Auch nach seiner Promotion an der Universität Stuttgart im Themenfeld Geschäftsmodelle für technologieorientierte Unternehmen blieb er der Forschung verbunden und veröffentlichte in den Bereichen Technologievermarktung, Technologie- und Geschäftsmodellinnovationen und emergente Technologien. Das Weitergeben dieses Wissens war ihm schon immer eine Herzensangelegenheit, so engagierte er sich schon früh in der Lehre an der Universität Stuttgart und an anderen Hochschulen.

Am Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation und dem Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement der Universität Stuttgart begleitete er führende Industrieunternehmen und Konzerne dabei, neue Märkte für sich zu identifizieren, Technologiestrategien abzuleiten und Zukunftsfelder für sich nutzbar zu machen. Zudem war er in verschiedenen international tätigen Industrieunternehmen in der Industriegüter- und der Konsumgüterindustrie tätig und dort u.a. verantwortlich für den Bereich Innovations- und Technologiemanagement.

Im Interview verrät er, wie sein Studium war, in welchen Bereichen er sich als Dolmetscher sieht – und warum er Wirtschaftsingenieure mit Schwänen vergleicht.

 

Studiengang und Lehre

Was hat Sie motiviert, Professor zu werden?

Mit dem Beruf (oder „der Berufung“) wird ja oftmals die „Freiheit in Forschung und Lehre“ in Verbindung gebracht. Ich denke das macht ein Stück weit den Berufsstand aus… wenngleich mit der Freiheit auch die Verantwortung verbunden ist.

Persönlich finde ich es sehr spannend, mit jungen Erwachsenen und zukünftigen Führungskräften zusammenzuarbeiten, den Diskurs zu pflegen und die Kompetenzentwicklung jedes Einzelnen zu beobachten. Dies gelingt an großen Universitäten nur selten, wo an dieser Stelle die DHBW ihre Vorteile ganz klar aufzeigt. Schon als Lehrbeauftragter an verschiedenen Hochschulen fand ich es sehr schön ehemalige Studierende wiederzutreffen und über deren Werdegang nach der Hochschule zu erfahren. Mit einigen stehe ich heute noch nach mehreren Jahren regelmäßig in Kontakt.

Neben der Förderung der Kompetenzentwicklung auf Individualebene sehe ich es auch als Aufgabe eines Professoren, neue Kompetenzfelder im Dialog mit Unternehmen, Kollegen und der Forschung zu identifizieren und den Kompetenztransfer aktiv und zukunftssichernd zu gestalten.

Warum sollte man heute Ihr Fach studieren?

Wirtschaftsingenieurwesen erfreut sich in den letzten Jahren immer größerer Beliebtheit und ich denke, dies wird auch anhalten. Wirtschaftsingenieuren wird ja nachgesagt, sie seien wie Schwäne: Sie können schwimmen, laufen und fliegen, aber nichts wirklich richtig gut. Ich denke jedoch, gerade darin liegt eine große Stärke des Studiums. Man bekommt mit dem Studium eine breitangelegte technische Grundausbildung. Fachkenntnisse aus Spezialgebieten werden dagegen eher im Job erworben.

Gerade im Schwerpunkt Innovations- und Produktmanagement ist dies sehr hilfreich. Denn in diesem Aufgabenfeld wird man sich ständig mit neuen Technologien auseinandersetzen müssen, versuchen deren technische Prinzipien zu verstehen und die Anwendbarkeit im eigenen unternehmerischen Kontext zu bewerten. Gepaart mit der im Studium erworbenen Methoden- und Problemlösungskompetenz sind die besten Voraussetzungen geschaffen: um selbst sich in kürzester Zeit in ganz neue Wissensgebiete einzuarbeiten.

Was ist Ihnen im Bereich Lehre besonders wichtig?

Mir ist besonders wichtig, dass die Studierenden konkret etwas mitnehmen - entweder für die berufliche Praxis oder für sich selbst. Dabei geht es mir darum, die Zusammenhänge deutlich zu machen und dass das eigene Tun – insbesondere bei der Anwendung des Erlernten – auch schon mal kritisch hinterfragt wird. Viele erlernte Methoden, Ansätze und Konzepte sind kontextabhängig und der Transfer in die Praxis würde vermutlich bei veränderten Rahmenbedingungen nicht den gewünschten Effekt bringen. Die Voraussetzungen kennen, Instrumente in der Anwendung verstehen und praxisgerecht einsetzen, das sind für mich sehr wichtige Facetten der Lehre.

 

Bitte vervollständigen Sie die Sätze:

Wirtschaftsingenieurwesen ist für mich, ... ein Verstehen von (mindestens) zwei Welten. Das Dolmetschen zwischen diesen Welten macht mir sehr viel Spaß.

Die größte Veränderung für meinen Studiengang bis 2025 wird ... die Begleitung der Unternehmen und Vorbereitung der Studierenden von einer analogen oder analog-digitalen Welt in eine „data driven world“ sein.

Mein Wunsch an meine Studierenden: Vertraut auf eure eigenen Stärken –  insbesondere vor und in der Prüfung.
 

 

Persönliches


Rund ums Studieren


Was sehen Sie als den größten Unterschied zwischen Ihrer Studienzeit und der heutigen Situation der Studierenden?

Ich denke dies ist die Angebots- und Nachfragesituation. Ich will ein Beispiel bringen: Hiwi-Jobs waren zu meiner Zeit heiß begehrt und stark umworben. Meist hat man derartige Jobs nur im Hauptstudium und mit mindestens gutem Notenspiegel bekommen. Die Situation stellt sich heute anders dar, heute haben eher die Studierenden die (Aus-)Wahl.

Wie haben Sie Ihr Studium finanziert?

Es war eine Mischfinanzierung aus Jobben während dem Studium, Erspartem von Jobs vor dem Studium, Stipendien und BAföG.

Wo haben Sie in der Studienzeit gewohnt?

Fast ausschließlich in WGs und an diese Zeit erinnere ich mich sehr gerne zurück.

 


Reisen und fremde Länder


In welchen Land könnten Sie sich vorstellen zu leben?

Grundsätzlich haben ja viele Kulturen ihren Reiz. Einen längeren Lebensabschnitt würde ich aber wohl eher dort verbringen wollen, wo die für uns manchmal selbstverständlichen Grundbedürfnisse wie Frieden oder Infrastruktur im Gesundheitswesen etc. auch gewährleistet sind. Besonders reizen würde mich Nordamerika, Spanien, aber auch Namibia.

Wie verbringen Sie Ihrem Urlaub am liebsten?

Eine Mischung aus Erholung, Sport und Abenteuer ist mir am liebsten. Voraussetzung ist eine ordentliche Dusche. Ein schönes Frühstück macht den Urlaub perfekt.

 


Was wäre, wenn ...


Welche Berufe wären für Sie noch in Frage gekommen?

Bauingenieurwesen oder Medientechnik. Bauingenieurwesen beinhaltet auch technische und wirtschaftliche Inhalte und ist praktisch orientiert. Beim Studium Medientechnik hat mich der Informatikanteil im konkreten Bezug neuer Medien gereizt.

 


Charakter & Tugend


Welchen Charakterzug an anderen Menschen schätzen Sie besonders?

Aufrichtigkeit

 


Kochen


Kochen Sie gerne? Nach welchen Rezepten?

Ich koche gerne, leider fehlt gerade die Zeit. Beim Kochen nach Rezepten mag ich es eher simpel, ohne erst den Gewürzhändler seiner exotischsten Gewürzen zu „berauben“.

Bevorzugen Sie eine bestimmte Küche?

Ich esse gerne indisch, Pizza, Brokkoli und gerne scharf.

 


Leben in Bad Mergentheim


Was gefällt Ihnen an Bad Mergentheim besonders gut?

Ehrlich gesagt, der Campus im Schloss hat schon was ganz besonderes. Direkt angrenzend an die Altstadt mit ihren Fachwerkhäusern, den vielen Brunnen und auf der anderen Seite der liebevoll angelegte Kurpark.

 


Lebensmotto & Lebenspraxis


Was ist für Sie Glück?

Gesundheit, Familie, Freunde, Natur, Freiheit, nette Begegnungen

Reparieren Sie ihr Fahrrad selbst?

Mit Rädern habe ich nicht besonders Glück. Meine drei letzten Räder wurden geklaut. Vielleicht kaufe ich mir mal demnächst ein altes Rad und baue es auf.

 

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