Versuchsfeld intelligente Energiesysteme (VIENS)

VINES– Versuchsfeld für intelligente Energiesysteme an der DHBW Mosbach verbindet praxisnahe Forschung und Lehre im Bereich nachhaltiger Energieversorgung. Ziel ist die Entwicklung intelligenter Energielösungen für KMU und die Ausbildung qualifizierter Fachkräfte. Das Versuchsfeld umfasst eine PV-Anlage auf dem Dach sowie eine reale Windkraftanlage und bildet damit eine echte Erzeugungsumgebung ab.

Ein zentraler Schwerpunkt liegt auf DC-Netzen (Gleichstromnetzen), die eine deutlich effizientere und ressourcenschonendere Energieverteilung ermöglichen. Sie reduzieren Energieverluste, verringern den Materialeinsatz und ermöglichen die direkte Nutzung rückgewonnener Energie. Damit bilden sie das Rückgrat für eine moderne, nachhaltige Energieinfrastruktur.

Ergänzend wird ein intelligentes Energiemanagementsystem entwickelt, das mithilfe von KI- und Data-Science-Methoden Energieflüsse optimiert – basierend auf Wetterdaten, Strommarktinformationen sowie betrieblichen Prozessen. Die flexible Netzarchitektur mit Speicher, Prosumer und Kontrollraum erlaubt reale Tests und interdisziplinäre Lehre. Studierende entwickeln eigene Komponenten für die „Nachhaltige Digitale Fabrik“. Zudem bringt sich das Projekt aktiv in Fachgremien zur Weiterentwicklung von DC-Technologien und Energiemanagement ein.

Motivation und Forschungsfrage

Die Energieversorgung steht vor einem Wendepunkt: Sie muss sicher, nachhaltig und wirtschaftlich sein. Diese Herausforderung betrifft die gesamte Gesellschaft, besonders Unternehmen, die für ihre Wettbewerbsfähigkeit auf stabile, kosteneffiziente Energie angewiesen sind und zugleich wachsende regulatorische Anforderungen erfüllen müssen.
Die schwankende Verfügbarkeit erneuerbarer Energie führt zu volatilen Börsenpreisen und teuren Netzstabilisierungsmaßnahmen. 2024 betrug der durchschnittliche Strompreis für Haushalte in Deutschland 40,92ct/kWh, wobei über die Hälfte auf Steuern, Umlagen und Netzentgelte entfiel.
Elektrische Energie wird künftig dominieren, da sie effizient umwandelbar, leicht transportierbar und beim Einsatz umweltfreundlich ist. Die Kernherausforderung: Stromerzeugung und -verbrauch müssen jederzeit und überall im Gleichgewicht sein. Dezentrale Energiesysteme sind dabei entscheidend für Stabilität und Wirtschaftlichkeit der Gesamtversorgung.

Das Versuchsfeld

Ein intelligentes dezentrales Energiesystem für Unternehmen kombiniert verschiedene Komponenten:

  • Lokale Energieerzeuger: PV-Anlagen, Windkraftanlagen, Brennstoffzellen, Biomasse, Wärmepumpen, Blockheizkraftwerke
  • Lokale Energiespeicher: Akkus, Wärme- und Kältespeicher, mechanische Speicher, bidirektionale Elektrofahrzeuge
  • Lokale Verbraucher: alle Fabrikverbraucher mit unterschiedlicher Flexibilität
  • Dezentrales DC-Netz als Verbindung zum öffentlichen Stromnetz

Das geplante Versuchsfeld ist in der rechts dargestellten Abbildung skizziert. Vorgesehen ist, das DC-Netz innerhalb der Gebäude der DHBW Mosbach im Lohrtalweg zu realisieren und Einspeiseeinrichtungen auf den Gebäudedächern zu installieren.

Angewandte Forschung und Lehre

Weitere Informationen

Energeimanagement

Ziel ist nicht die vollständige Unabhängigkeit vom Netz, sondern eine intelligente Balance zwischen Unternehmenszielen und externer Energieverfügbarkeit. Das System passt die Produktion dynamisch an die Energiesituation an, indem energieintensive Prozesse auf Zeiten günstiger Strompreise verschoben werden. Die Stromerzeugung erfolgt über zwei Quellen: Eine PV-Anlage mit automatischer Leistungsanpassung nutzt die Sonnenenergie. Eine Windkraftanlage speist ihren Strom über einen geregelten Gleichrichter ins System ein. Der zentrale Energiespeicher spielt eine entscheidende Rolle. Er stabilisiert das Netz und gleicht Schwankungen aus. Er kann sowohl Strom aufnehmen als auch bei Bedarf wieder abgeben.

Als Besonderheit enthält das System einen Prosumer - also eine Einheit, die sowohl Strom verbrauchen als auch erzeugen kann. Damit lassen sich typische industrielle Verbrauchsmuster, Lastprofile und Produktionsprozesse modellieren. Eine flexible Schaltermatrix verbindet diese Komponenten. Sie ermöglicht es uns, verschiedene Netztypologien zu testen.

Nachhaltige Digitale Fabrik

Gleichstromnetz

Gleichstromnetze bieten eine Vielzahl technischer und wirtschaftlicher Vorteile. Sie reduzieren den technischen Aufwand erheblich, minimieren Energieverluste und ermöglichen die direkte Nutzung rückgewonnener Energie. Ein wesentlicher Vorteil ergibt sich aus dem Wegfall der sogenannten Blindleistung, wodurch der Materialeinsatz um bis zu 55 % gesenkt und beziehungsweise die Übertragungseffizienz um etwa 45 % gesteigert werden kann. 

Darüber hinaus sind die Transportwege für elektrische Energie deutlich weniger verlustbehaftet, da keine verlustreiche Umwandlung durch Wechsel- oder Gleichrichter erforderlich ist – insbesondere bei der Einspeisung oder Rückspeisung von Energie. In der Praxis resultieren daraus geringere Installations- und Betriebskosten, eine verbesserte Integration erneuerbarer Energien sowie eine insgesamt ressourcenschonendere und nachhaltigere Energieinfrastruktur.

Gleich- und Wechselstrom im Vergleich

Das heute verbreitete Wechselstromnetz (AC-Netz) ist historisch bedingt: In der Frühzeit der Elektrifizierung dominierten Wechselspannungsquellen wie Generatoren in Kraftwerken. Die Umwandlung von Wechselstrom in Gleichstrom war damals technisch komplex und wirtschaftlich nicht sinnvoll. Zudem ließ sich Wechselstrom mithilfe von Transformatoren effizient über große Entfernungen transportieren – ein entscheidender Vorteil für den Aufbau weitreichender Versorgungsnetze. Aus diesen Gründen setzte sich das AC-Netz als Standard durch.

Heute jedoch dominieren auf Verbraucherseite zunehmend DC-basierte Geräte: Smartphones, Laptops, LED-Beleuchtung, Bildschirme sowie das Laden von Elektrofahrzeugen benötigen intern Gleichstrom. Auch viele moderne Erzeuger – wie Photovoltaikanlagen oder Batteriespeicher – liefern Gleichstrom. Die dafür notwendige ständige Umwandlung zwischen AC und DC führt zu erhöhtem Schaltungsaufwand, Energieverlusten, Wärmeentwicklung und Kosten.

Ein Gleichstromnetz (DC-Netz) bietet hier entscheidende Vorteile: Verbraucher können direkt angeschlossen werden – ohne jede einzelne Komponente mit eigenen Wandlern ausrüsten zu müssen. Das reduziert den baulichen und technischen Aufwand, verringert Umwandlungsverluste und spart elektronische Komponenten – was zusätzlich Kosten und CO₂-Emissionen einspart.

  • Reduzierter Bauteilaufwand: Weniger elektronische Komponenten durch zentrale Gleichrichtung.
  • Geringere Umwandlungsverluste: Keine mehrfachen AC/DC-Wandlungen nötig – höhere Energieeffizienz.
  • Effiziente Energierückspeisung: Rückgewonnene Energie kann verlustarm genutzt oder gespeichert werden.
  • Kosteneinsparungen: Geringerer Komponentenbedarf.
  • CO₂-Einsparungen: Weniger Hardware bedeutet geringere Material- und Produktionsemissionen.

Einbindung in die Lehre

Ein weiterer Bestandteil des Projekts ist die Einbindung des bestehenden Labors „Smart-DC-Grids“ in das Gesamtkonzept. Dieses Laborprojekt besteht seit 2021 an der DHBW Mosbach und verfolgt das Ziel, ein übersichtliches, funktionsfähiges und didaktisch zugängliches Gleichstromnetz im Kleinformat zu demonstrieren.

Studierende entwickeln im Rahmen des Labors praxisnahe Komponenten und Teilsysteme für DC-Netze, darunter:

  • eine Einspeiseoptimierung für PV-Anlagen (Maximum Power Point Tracker),
  • ein aktives Batteriemanagementsystem (BMS),
  • eine geregelte Einspeisung für Energiespeicher,
  • eine aktive PFC-Schaltung (Power Factor Correction) zur Netzrückwirkungsminimierung,
  • sowie weitere Projekte auf Schutzkleinspannungsebene.

Das Labor bietet eine kompakte Demonstrationsplattform zentraler Funktionen eines DC-Netzes und dient als praxisorientiertes Lernumfeld für Studierende aus Bereichen wie Elektrotechnik, Infotronik und Energietechnik. Es leistet damit einen wichtigen Beitrag zur anwendungsnahen Ausbildung im Umfeld intelligenter und dezentraler Energienetze.

Kontakt: Gleichstromnetz

Prof. Dr. Markus Dirnberger
  • Professor Mechatronik

Lohrtalweg 10
74821 Mosbach

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Kontakt: Energiemanagement

Prof. Dr. Christian Kuhn
  • Studiengangsleitung Elektrotechnik und Informationstechnik
  • Sprecher des Kompetenzzentrums Fertigungs- und Informationsmanagement

Lohrtalweg 10
74821 Mosbach

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