Erste Gesundheitskonferenz in Bad Mergentheim: Experten und Duale Hochschule gaben Tipps für innovatives Management im Gesundheitswesen

Wie geht das deutsche Gesundheitswesen mit einer alternden Gesellschaft, leeren Kassen und einem Mangel an qualifizierten Nachwuchskräften um? Diese Themen beleuchtet der „1. Tag für Management im Gesundheitswesen“ in Bad Mergentheim. Rund 100 Zuhörer aus der Medizin, der Pflege und dem Klinikwesen waren zu Gast, um Einblicke in die Best Practices von Kollegen zu gewinnen, sich zu vernetzen und nicht zuletzt auch einen Blick in die Zukunft zu wagen. Eingeladen hatte die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Mosbach Campus Bad Mergentheim in Kooperation mit der Stadt Bad Mergentheim und dem Landratsamt Main-Tauber.

 

Einen Blick in die Zukunft der Krankenhäuser wagte Dr. Eike Wenzel, einer der renommiertesten Zukunftsforscher Deutschland und Geschäftsführer des Instituts für Trend- und Zukunftsforschung. Während in den 1970er-Jahren Gesundheit noch als Abwesenheit von Krankheit betrachtet wurde, habe sich diese Vorstellung im Wandel der Zeit grundlegend verändert. Gesundheit werde inzwischen bewusst „konsumiert“. „Die Menschen sind bereit dafür sehr viel Geld aus eigener Tasche auszugeben“, so der Zukunftsforscher weiter. Dennoch: Allein höhere Ausgaben führten nicht zu einem gesünderen Leben. Das zeige sich am Beispiel der USA. Dort hätten die Menschen trotz der weltweit höchsten Gesundheitsausgaben eine Lebenserwartung von durchschnittlich 77,9 Jahren. Damit liegt die USA in Punkto Lebenserwartung selbst hinter Entwicklungsländern wie Chile zurück. Mehr Geld sei demnach auch keine Lösung, vielmehr gehe es darum, seine Effizienz zu steigern und über neue Lösungen für Patienten nachzudenken.

 

Auch die Stadt Bad Mergentheim muss sich städteplanerisch mit einer alternden Bevölkerung auseinandersetzen. Oberbürgermeister Udo Glatthaar beschrieb das Gesundheitsmanagement einer Stadt als ganzheitliche Herausforderung: Nicht nur Angebote für das körperliche Wohl müsse eine Kurstadt bieten, sondern auch „die Heilung der Seele“ durch kulturelles Angebot gewährleisten. Besonders bedeutsam für den ländlichen Raum ist laut Glatthaar die Bedeutung der Dualen Hochschule: Durch den Studiengang Gesundheitsmanagement könne das Thema in der Region auch in wissenschaftlicher Hinsicht verankert werden und trage zu neuen Erkenntnisse und Ansätzen bei.

 

Karsten Knoche, Geschäftsführer von Karsten Knoche Consult, forderte mehr „gelebte Gesundheit des Patienten“ durch bereichsübergreifende Kooperationen und weniger Verwaltung. Wichtig sei hierfür, dass sowohl bei den Krankenkassen, aber auch bei den Patienten und Ärzten ein Paradigmenwechsel stattfinde: „Prävention muss künftig einen höheren Stellenwert erhalten, zum Beispiel über gesundheitliches Mentoring für Studierende oder das Fach Gesundheit in der Schule“.

 

Als besondere Herausforderung im Gesundheitswesen beschrieb Dr. Vitus Gamperl vom Bayerischen Staatsministerium das Selbstverständnis der Deutschen optimal medizinisch versorgt zu werden, ohne dafür jedoch mehr Geld bezahlen zu wollen. „Viele vergessen, dass wir hier auf einem sehr hohen Level im Gesundheitsmanagement jammern“. Jetzt gehe es darum zu kämpfen, dass dieses System finanzierbar bleibe, gerade vor dem Hintergrund einer alternden deutschen Gesellschaft.

 

Gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels sieht Ulrich Söding, Institutsleiter von Vivantens, Zuwanderung nach Deutschland als entscheidende Chance in doppelter Hinsicht: Zum einen stelle sie den Bedarf an Nachwuchspflegekräften sicher. Zum anderen brächten sie bereits die notwendige interkulturelle Kompetenz mit, die in der täglichen Arbeit immer häufiger benötigt werde. Zudem müsse man früh damit beginnen, für den Pflegeberuf in den Schulen zu werben. „Eine klare Perspektive über die späteren Anforderungen in der Ausbildung motiviert die Schüler erheblich, sich in der Schule anzustrengen, um später für einen Ausbildungsplatz qualifiziert zu sein“, so Söding. Vivantes selbst unterstütze seine Auszubildenden durch Lernbegleitungs- und Lernberatungsangebote.
Neben der eigenen Ausbildung von Personal ist laut Andreas Werner von Board Consultants International jedoch auch die Bindung von Mitarbeitern ans Unternehmen ein entscheidender Erfolgsfaktor in der Gesundheitsbranche. In erster Linie gehe es den Mitarbeitern bei einer Entscheidung für oder gegen ein Unternehmen um die Sinnhaftigkeit der eigenen Tätigkeit und nicht ausschließlich um das Gehalt. „Wichtig ist es, Erfolge nach außen zu kommunizieren“, so dass diese auch für Mitarbeiter wahrnehmbar seien. „Nur zufriedene Mitarbeiter sprechen über ihr Unternehmen“, ergänzte Susanne Hartmann, die Leiterin des Ausbildungszentrum Arbeiter-Samariter-Bund Bonn/Rhein-Sieg/ Eifel. Wichtig seien in diesem Zusammenhang auch bedarfsgerechte Arbeitszeiten, Job-Sharing-Modelle und eine umfassende Einarbeitung neuer Mitarbeiter.

 

Thomas Weber der Gesundheitsholding Tauber-Franken sieht sich durch die medizinischen Innovationen, den Verdrängungswettbewerb und jährliche Investitionen vor großen Herausforderungen. Für ihn ist deshalb die Gründung des Netzwerks sowohl innerhalb der Branche als auch vertikal entlang der Wertschöpfungskette ein wichtiges Mittel, um sich wirtschaftlich besser aufzustellen. „Ohne diese Strukturen würden heute viele Anbieter am Markt gar nicht mehr existieren“, so Weber. Ein Mittel zur Effizienzsteigerung sieht Rainer Beckers, Geschäftsführer des Zentrums für Telematik im Gesundheitswesen, in Telemedizin. Diese ermögliche eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung bei deutlich geringeren Kosten.

 

Dass Jammern über mangelndes Budget nicht weiterhilft, diese Erfahrung hat Martin Wetzel, der Vorsitzende des Medizinischen Qualitätsnetzes Ärzteinitiative Kinzigtal gemacht. Deshalb gründete er zusammen mit anderen selbständigen Ärzten der Region einen Verband, dessen wichtigstes Ziel die optimale Versorgung des Patienten ist. Die Patienten sollen so lange wie möglich ambulant behandelt werden. Wetzel resümiert: „Wir haben damit einen bestmöglichen Gesundheitsstatus bei minimalem Aufwand und höchstmöglicher Akzeptanz bei den Betroffenen erzielt.“ Die Bevölkerung im Kinzigtal konnte die Erfolge bei der Genesung von Krankheiten deutlich verbessern, zugleich wurden die Kosten für die Krankenkassen erheblich gesenkt. Insgesamt konnte durch diesen Ansatz eine Effizienzsteigerung des Gesundheitsmanagements um fast 17 Prozent erzielt werden.

 

Dass sich auch Kliniken nicht nur mit medizinischen Innovationen, sondern verstärkt auch mit dem Marketing auseinandersetzten sollten, dafür spricht die Erfolgsstory der Kliniken Essen-Mitte. Björn Kasper, der dortige Leiter für Marketing und Kommunikation, sieht ein Problem darin, dass viele Kliniken überhaupt nichts über ihre Patienten wüssten. Gerade hier bieten die Social Media gute Kanäle zum Zuhören und auch zum Interagieren. Die entsprechende „Bürgernähe“ zu vereinbaren mit Wirtschaftlichkeit und Qualitätsanforderungen, das sieht Siegfried Hasenbein (Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft) als wichtigstes Thema für das Krankenhaus der Zukunft.

Moderiert wurde die Veranstaltung von Professoren und Lehrkräften des Campus Bad Mergentheim der Dualen Hochschule. Prof. Dr. Dr. Frank Elste, Initiator der Veranstaltung und Studiengangsleiter Gesundheitsmanagement am Campus Bad Mergentheim der DHBW Mosbach, freute sich über den großen Zuspruch der Veranstaltung: „Unser Ziel war es, die Teilnehmer aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft miteinander zu vernetzten und Synergien der Region aber auch über die Region hinaus zu bilden“. Er ist sich sicher: in zwei Jahren soll daher der 2. Tag für Management im Gesundheitswesen stattfinden.