Neue Ideen fürs Handwerk
Das deutsche Handwerk steckt in der Krise. Hanns-Eberhard Schleyer, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) rechnet erst für 2011 wieder mit steigenden Umsätzen. Im Vergleich zu anderen krisengebeutelten Branchen zahlt sich jedoch die Bodenständigkeit der Handwerker aus: Für 2009 sei lediglich ein Umsatzminus von ca. 2 Prozent zu verbuchen. Nach wie vor beurteilen drei Viertel der Firmen bei einer ZDH-Umfrage ihre Geschäftslage als gut oder befriedigend. Dennoch: Gerade in Krisenzeiten wächst die Notwendigkeit, die Arbeit effizient zu gestalten.
Die Erstsemester des Studiengangs Vertriebs- und Kooperationsmanagement haben im Rahmen einer Projektarbeit an zwei Tagen insgesamt sechs Handwerksbetrieb aus der Mosbacher Umgebung unter die Lupe genommen. Ziel war es, so Studiengangsleiter Prof. Dr. Alexander Neumann „mit dem kritischen Blick von außen Arbeitsabläufe und –prozesse im Handwerk zu analysieren“. "Ziel war es, dass sowohl die Handwerksbetriebe als auch auch Studierenden von den Ergebnissen profitieren", so Lehrbeauftrager und Projektleiter Erich Bechtold. Schließlich wären die Studierenden die Führungskräfte von morgen bzw. die späteren Vertriebsmanager von Handwerksunternehmen. Die Studierenden dokumentierten den Ablauf des Alltags und entwickelten konkrete Verbesserungsvorschläge, um die Effizienz zu steigern, 6 Ansätze:
- Den Kunden zum Handwerker holen: Die Studierenden konnten herausfinden, dass insbesondere Ausschreibungen und Angebotserstellungen häufig ein großer Zeitfresser im Handwerkeralltag sind. Allein schon Fahrzeiten zum Kunden zur Angebotspräsentation seien ein Risiko, da diese schlecht im Aufwand vorab kalkulierbar und unentgeltlich seien. Während nach Angaben des Unternehmens bei Ausschreibung lediglich 10% letztendlich zu einer Beauftragung führen würden, seien es bei Messen ca. 80%. Die Studenten schlugen vor, verstärkt zu Präsentationen im Handwerksunternehmen selbst einzuladen, um dadurch die Trefferquote zu erhöhen.
- Werbung mehr ins Netz verlagern: Die analysierten Handwerksbetriebe setzen ihren Werbefokus in erster Linie auf klassische Print-Werbung und Empfehlungsmarketing. Dass aber im Zeitalter der Digitalisierung eine reine Offline-Existenz nicht mehr ausreicht, da sind sich die Studierenden sicher. Sich allein auf den „guten Ruf“ zu verlassen, sei zudem höchst riskant im Falle eines Scheiterns. Vielmehr müsse man sich künftig mehr um eine aussagekräftige Online-Präsenz und über Chancen der digitalen Kundeninteraktion nachdenken.
- I-Phone statt Terminkalender: Um den Tagesablauf besser im Voraus zu koordinieren, sei es wichtig, auf eine entsprechende Planungssoftware zurückzugreifen. Positiv fiel den Studierenden auf, dass einige Handwerksbetriebe bereits Terminkalkulationsprogramme verwenden, auf welche von mobilen Endgeräten aus zugegriffen werden kann. Auf diese Weise erhalten die Mitarbeiter tagesaktuell einen Überblick über den Einsatzplan und die Tagesziele.
- Kein totes Kapital ansammeln: Als Problem in fast allen besichtigten Handwerksbetrieben stellten die „Lagerhüter“ heraus. Je größer das Lager, desto größer sei auch die Gefahr, dass sich „totes Kapital“ ansammelt, das eigentlich auf der Bank Zinsen bringen könne. Wichtig sei es daher, so die Studierenden, regelmäßig Bestandsaufnahmen vorzunehmen und das Lager so klein und übersichtlich wie möglich zu halten.
- Die Kunden hinter die Kulissen schauen lassen: Die Mund-zu-Mund-Propaganda – so das Ergebnis der Studierenden - ist im Handwerk eine der wichtigsten Werbemittel. Gerade im Handwerk gehe es mehr als irgendwo anders um eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Kunde und Handwerker. Deshalb sei es wichtig, sich auch tatsächlich so zu verhalten, wie man wahrgenommen werden wolle. Unternehmenswerte dürften nicht nur auf dem Papier festgehalten, sondern müssten auch gelebt werden.
- Die Mitarbeiter wirklich mit ins Boot holen: Die eigenen Mitarbeiter sind die wichtigsten Meinungsmultiplikatoren – davon sind die Studierenden des Vertriebs- und Kooperationsmanagement überzeugt. Gerade deshalb spiele es eine wesentliche Rolle, dass auf der Baustelle nicht nur der Bauleiter fachlich kompetent Auskunft geben könne, sondern auch die Facharbeiter.
Fast 80% aller Handwerksbetriebe haben weniger als zehn Beschäftigte. Handwerker stünden, so die Studierenden, deshalb häufig vor der Herausforderung, nicht nur als Handwerker, sondern auch als Berater, Verkäufer, Buchhalter, Steuerexperte und Marketingreferent agieren zu müssen. Die betriebswirtschaftliche Komponente komme dabei häufig zu kurz, woraus sich Effizienzprobleme ergeben könnten. Wichtig für die Zukunft sei es, sich Prozessabläufe immer wieder mit kritischem Blick anzuschauen und über Optimierungsmöglichkeiten und zeitgemäße Unterstützungstools nachzudenken.
Im kommenden Jahr sollen wieder Handwerksbetriebe einer studentischen Analyse unterzogen werden – dann schon zum vierten Mal. Die konkreten, auf einen bestimmten Betrieb bezogenen Handlungsempfehlungen haben die Studierenden herausgearbeitet und als Dankeschön den Handwerksunternehmen nach Projektabschluss zur Verfügung gestellt. Interessierte Handwerksunternehmen können sich für das Projekt in 2010 bereits jetzt bei Prof. Dr. Neumann anmelden: <link mail>neumann@dhbw-mosbach.de.