Prof. Dr. Dirk Saller im Interview mit der RNZ
Am 1. März 2011 wird Prof. Dr. Dirk Saller Rektor der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Mosbach und damit Nachfolger von Prof. Reinhold Geilsdörfer. Im Gespräch mit dem Journalisten Heiko Schattauer von der Rhein-Neckar-Zeitung erklärt der "Neue", wie er die großen Fußstapfen füllen und die Hochschule weiter voran bringen will.
RNZ: „Frischer Wind tut immer gut“, hat eine Studentin auf der Internetplattform „Ich bin dual“ die Nachricht kommentiert, dass Dirk Saller neuer Rektor an der Dualen Hochschule BW in Mosbach wird. Aus welcher Richtung wird der Wind ab 1. März am Campus Mosbach wehen?
Ich glaube, dass der Wind weiterhin aus einer ähnlichen Richtung wehen darf wie bisher. Die DHBW Mosbach hat in den letzten Jahren in verschiedenen Bereichen auf sich aufmerksam gemacht. Da sind natürlich die Studierendenzahlen zu nennen, welche deutlich zugenommen haben, während gleichzeitig das hohe Qualitätsniveau des Dualen Studiums gesichert werden konnte. Andererseits ist das Zustandekommen des neuen Campus in Heilbronn erwähnenswert. Beides wird uns in den nächsten Jahren noch intensiv beschäftigen. In diesen „Wind der Veränderung“ gliedert sich natürlich auch ein Teil meiner zukünftigen Aufgaben ein. Ich freue mich darauf und bin zuversichtlich, dass ich an der einen oder anderen Stelle auch eigene Ideen und Erfahrungen einbringen kann.
RNZ: Sie sind nicht nur Physiker, sondern auch in Sachen Mathematik außergewöhnlich bewandert. Wie sieht Ihre Gleichung für ein erfolgreiches Wirken in Mosbach aus?
Spontan möchte ich die folgenden, nicht ganz wörtlich zu nehmenden, Vergleiche ziehen: Zum einen bin ich ein Freund der „angewandten Relativitätstheorie“ in dem Sinne, dass es immer mehrere gleichberechtigte Perspektiven gibt. Dies spielt gerade im Dualen System eine große Rolle, wo man mit den verschiedenen Akteuren in Theorie und Praxis häufig auch Zielkonflikte austariert. Dann würde ich zum Zweiten sofort noch an die Unschärferelation in der Quantenmechanik dahingehend denken, dass in einer Hochschule auch im Idealfall Leistung und Qualität nicht immer beliebig präzise definierbar oder messbar sind, getreu dem Motto: „Viele Wege führen nach Rom“. Wenn Sie mich nun nach einer harmonischen, mathematischen Vereinheitlichung dieser beiden „Gleichungen“ in eine Einzige fragen, so muss ich (wie viele meiner Kollegen auch) leider passen. Auch wenn ich hier naturwissenschaftlich an meine Grenzen stoße bin ich optimistisch, dass sich diese Lücke in unserer Gleichung durch persönliche Eigenschaften, wie z.B. respektvolle und zielorientierte Zusammenarbeit, überbrücken lassen.
RNZ: Ihr Vorgänger war viele Jahre in Mosbach in der Verantwortung, hat mit Gründungsrektor von Freyhold aus der kleinen Berufsakademie eine große Hochschule gemacht, die weit über die Region hinaus eine hervorragenden Ruf besitzt. Was überwiegt vor Ihrem Amtsantritt: Der Respekt vor den großen Fußstapfen oder die Freude über ein wohl bestelltes Feld?
Ich müsste sehr naiv oder überheblich sein, wenn mir die Entwicklungen der letzten Jahre keinen gehörigen Respekt einflößen. Meine Entscheidung mich in Mosbach auf die Nachfolge von Prof. Geilsdörfer zu bewerben, hing auch eng mit diesen Entwicklungen zusammen.
Glücklicherweise gab es auch sehr viele Gemeinsamkeiten zwischen meiner neuen Aufgabe und meiner Tätigkeit als Prorektor und Dekan der Fakultät Technik in den letzten Jahren. Durch den fast vollständigen Wechsel in der Leitung der DHBW Mannheim war es mir möglich, sehr viele Einblicke in die vielfältigen Aufgaben des Rektors zu bekommen, diese teilweise mit zu gestalten und Erfolgsmerkmale eines Standorts zu identifizieren. Von außen betrachtet verfügt die DHBW Mosbach über solche Erfolgsmerkmale. Der Erfolg einer Hochschule ist aber eine kontinuierliche Aufgabe, bei der es darum geht, die Stärken gemeinsam weiterzuentwickeln und neue aufzubauen. Zum jetzigen Zeitpunkt überwiegt daher die Freude, diese Herausforderungen anzunehmen.
RNZ: Was reizt Sie denn am meisten an der neuen Aufgabe in Mosbach?
Grundsätzlich empfinde ich die verantwortliche Mitgestaltung an einer besonderen Bildungsinstitution wie der Dualen Hochschule mit all ihren Facetten als ein Privileg. Die Arbeit ist spannend und die Vielfalt der Persönlichkeiten in und um die Duale Hochschule ist auch eine persönliche Bereicherung. Neugierig bin ich momentan auf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Professorinnen und Professoren an allen drei Campus. Ich bin gespannt darauf, wie sich in diesem Zusammenhang die verschiedenen Identitäten und Kulturen als einheitliche Organisation verstehen und sehe in dieser Erfahrung auch einen Vorteil im zunehmenden Wettbewerb der Hochschulen, z.B. im Hinblick auf Profilbildung.
RNZ: Und wo sehen Sie die nächsten Baustellen? Für die Berufsakademie und auch die DHBW ging es in Mosbach bis dato immer nur aufwärts. Kann man immer noch einen drauf legen (etwa bei den Studentenzahlen) oder muss man allmählich in Richtung Konsolidierung steuern?
Auch wenn in Zeiten von doppelten Abiturientenjahrgängen und Fachkräftemangel immer auf Studierendenzahlen geachtet wird, sehe ich Wachstum erst in Verbindung mit Qualitätssicherung als nachhaltiges Erfolgskriterium einer Hochschule. Das Wachstum der letzten Jahre ist beachtlich und jeder, der die Finanzierungsstruktur einer Hochschule kennt weiß: Man macht nicht mal eben so einfach die Tore auf und nimmt mehr Studierende an. Natürlich geht es jetzt auch darum, den Studienbetrieb auf Dauer auf dem neuen Niveau zu etablieren. Das Ausbauprogramm des Landes Baden-Württemberg hat dazu einen Teil beigetragen. Passend zu den Studierendenzahlen müssen wir in den nächsten Jahren weitere Maßnahmen abschließen, wie z.B. der Ausbau von Personal und Infrastruktur. Bei unserer besonderen Hochschule gebührt der Dank für das Wachstum der Studierendenzahlen aber gleichzeitig auch den Partnerunternehmen, die ihre Ausbildungskapazitäten deutlich erhöht und trotz Krise auf hohem Niveau gehalten haben. Besonders erfreulich ist, dass mit jedem neuen Studienplatz der DHBW ein in der Regel langfristig angelegter Arbeitsplatz mit hervorragenden Karrierechancen entsteht. Im Ergebnis stellt sich die Situation wie folgt dar: die mit dem Ausbauprogramm gegebene Chance auf weitere Studienplätze wollen wir im bisher beantragten Umfang nutzen und erfolgreich abschließen. Die damit eingehende Konsolidierung läuft und wird uns in den nächsten Jahren weiter beschäftigen. Da man über den Staatsdienst in den Medien (gefühlt) tendenziell eher kritische Töne hört möchte ich an dieser Stelle einmal anmerken, dass die Leistung und Flexibilität der Menschen innerhalb der DHBW in den letzten Jahren große Anerkennung verdient.
RNZ: Ich weiß, sie stehen erst am Anfang Ihrer Arbeit in Mosbach. Wagen Sie für die RNZ-Leser dennoch mal einen kleinen Ausblick. Wo steht die DHBW Mosbach 2020? Und wo steht Dirk Saller?
Für die DHBW Mosbach stelle ich mir vor, dass sich die Entwicklungen im Kern gemäß dem Struktur- und Entwicklungsplan darstellen und wir 2020 neben Bad Mergentheim mit Heilbronn einen weiteren beständigen Außenstandort haben, an dem wir sogar neue Erkenntnisse hinsichtlich der Vernetzung mit anderen Bildungseinrichtungen gewinnen konnten. Diese Erkenntnisse können wir nutzen, um das Duale System insgesamt weiter zu entwickeln. Darüber hinaus bin ich zuversichtlich, dass wir im Zusammenhang mit thematischer Profilbildung auch mit kooperativen Forschungsprojekten auf uns aufmerksam machen können. Bei allen Neuerungen der letzten und zukünftigen Jahre bis 2020 vertraue ich aber auch darauf, dass Mosbach weiterhin vor allem nah an der Wirtschaft ist, innovative Studienangebote erkennt und in kürzester Zeit mit den Partnern umsetzt. Dies ist mit Abstand die schwierigste Frage, weil die Antwort hart an der Grenze zur Kaffeesatzleserei liegen würde. Wo ich persönlich stehe ist momentan eher zweitrangig. Ich wünsche meiner Frau und meinen drei Kindern auf jeden Fall, dass sie für Ihren Mut zur Veränderung belohnt werden und sich möglichst bald in Mosbach und Umgebung zuhause fühlen.